Kapitel 2
Dicke Nebelschwaden hingen am nächsten Morgen über dem Lager und hinterließen überall ihren feuchten Glanz. Die Sonne hatte keine Chance, ihre Strahlen durch die graue, wabernde Masse bis zum Boden zu schicken. Dies verlieh dem Lager einen gespenstischen Eindruck, der noch unterstützt wurde, da weit und breit niemand im Lager zu sehen war.
Lieutenant Colonel John Smith, Offizier bei den Special Forces in Diensten der US Army, kam gerade vom Frühstück aus der Offiziersmesse. Obwohl er gerade erst ins Freie getreten war, spürte er jetzt schon, wie sich seine grüne Uniform mit der Feuchtigkeit des Nebels vollsog. Ein grässliches Gefühl, dachte er.
Der leidenschaftliche Zigarrenraucher, der erst vor wenigen Tagen seinen dreiundvierzigsten Geburtstag hatte, zündete sich eine Zigarette an.Gestern Abend bekam er die Nachricht, dass er am nächsten Morgen 7.30 Uhr zu Colonel Morrisons Büro bestellt wurde. Einen Grund nannte man ihm allerdings nicht. Smith vermutete aber, dass es um die Aufstellung eines weiteren Alpha-Teams ging, denn nach dem Anschlag auf den Außenposten bei Da Nang kamen Gerüchte auf, dass General Ludlam etwas in dieser Richtung plante.
Smith, der nun schon seit fünf Jahren in Vietnam war, hätte sich beeilen müssen, damit er nicht zu spät zum Treffen mit Colonel Morrison kam. Aber er tat es nicht, denn er wusste, dass Morrison nicht viel von ihm hielt.
Eigentlich war Smith ein loyaler Offizier seinen Vorgesetzten gegenüber. Aber nicht bei Morrison. Wieso soll ich mir denn meinen hart erarbeiteten Ruf versauen? dachte er, und dabei trat ein selbstzufriedenes Grinsen in sein Gesicht. Aber als er merkte, dass er immer noch an seiner selbstgedrehten Zigarette paffte, verschwand dieses Lächeln wieder. Da sieht man mal, was der Krieg aus einem macht. Jetzt rauche ich schon billige Zigaretten! Er warf sie achtlos beiseite und betrat das Quartier von Colonel Morrison.
Samuel Morrison saß genervt in seinem Büro und wartete auf Smith. Es ärgerte ihn immer noch, dass er sich so leicht von Ludlam und Fulbright hatte überreden lassen. Nun musste er Smith als Kommandant der neuen Einheit auswählen. Andererseits würde es Ärger mit Ludlam geben, der ihn wahrscheinlich wegen Belügens eines hochrangigen Offiziers vors Kriegsgericht stellen würde.
Während Morrison noch über andere Möglichkeiten nachdachte, klopfte es an der Tür. "Herein!" sagte er.
Die Tür öffnete sich und Lieutenant Colonel Smith kam ins Büro und salutierte lässig vor Morrison. "Guten Morgen, Colonel", sagte Smith, scheinbar gut gelaunt, denn er wusste, dass Morrison seine Anwesenheit nicht grade begrüßte.
Der Colonel, der noch immer hinter seinem Schreibtisch saß und mit einem Stift spielte, überhörte die Begrüßung und kam gleich zur Sache, was Smith innerlich noch mehr freute. "General Ludlam hat mich damit beauftragt, ein neues Alpha-Team mit Ihnen in der Führungsposition aufzustellen, das sich vor allem auf Sabotagemissionen konzentrieren wird."
Es überraschte Smith überhaupt nicht, dass er als Kommandant der Einheit vorgesehen wurde. Ein Offizier seines Rangs und mit seinen Fähigkeiten, die alle anerkannten, bis auf Morrison, seiner Erfahrung und seinen Führungsqualitäten, der nun schon seit fast zwei Monaten ohne Aufgaben dastand, konnte das Hauptquartier nicht länger ohne Team lassen. Offiziere seiner Qualität wurden derzeit dringlich gebraucht.
Morrison fuhr fort: "Stellen sie ein Team zusammen, von dem sie glauben, dass es den Anforderungen entspricht. Hier sind die Akten der in Frage Kommenden." Er deutete mit seinem Stift auf zwei Stapel mit Personalakten, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. "Nehmen Sie die Akten und wählen sie elf Leute aus, die Sie für fähig halten, und bringen Sie mir die Ergebnisse zurück. Aber heute noch. Wegtreten."
Smith warf einen Blick auf die beiden Stapel mit Akten. Der linke enthielt die Akten der Freiwilligen, der andere die Akten derjenigen, die zurzeit ohne Team waren und den Anforderungen entsprachen, zumindest wenn es nach dem Oberkommando ginge. Schnell traf er eine Entscheidung. Er ging zum Schreibtisch des Colonels, salutierte kurz, nahm die Akten aber nur den Stapel der Freiwilligen. Er drehte sich zum Ausgang und wollte gerade gehen, aber Morrison hielt ihn auf: "Warten Sie, Smith. Was ist mit den anderen?" und zeigte auf die Akten, die noch immer auf seinem Tisch standen.
Smith wirkte plötzlich sehr ernst. Er drehte sich nicht um, blickte nur kurz über die Schulter. "Tut mir leid, Colonel, aber ich werde niemanden zwingen, sich meiner Einheit anzuschließen." Mit diesen Worten verließ er das Büro.
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